Mehr als nur Urlaub

 

Hey ihr Lieben, wir hoffen, es geht euch allen gut!

 

Bei uns ist so langsam der Alltag eingekehrt und damit auch das Gefühl, keine „Urlauber“ mehr zu sein und in unsere Aufgabe immer mehr reinzufinden. Damit ihr euch unseren Wochenablauf ungefähr vorstellen könnt, fassen wir ihn hier mal kurz für euch zusammen: Morgens und abends haben wir normalerweise einen Outreach, also einen Einsatz auf der Straße. Konkret bedeutet das, dass wir morgens, meistens in Kombination mit diversen Erledigungen, Essen und Trinken an Straßenkinder, welchen wir begegnen, verteilen. Abends, nach Einbruch der Dunkelheit, treffen wir uns erneut mit Straßenkindern, bisher fand dies meist an einer Tankstelle statt, weil das geplante Zentrum für die Kinder immer noch nicht genehmigt ist bzw. keine Räumlichkeit gefunden wurde. Diese Outreaches finden vorwiegend am Dienstag, Mittwoch und Freitag statt. An den Mittagen bereiten wir entweder das Essen für den Abend vor, helfen bei verschiedensten Aufgaben die im Haushalt oder auf dem Grundstück anfallen oder bereiten Sachen für anstehende Spendensammlungen vor. Donnerstags besuchen wir meist ein nahe gelegenes Rehabilitationszentrum für Jugendliche, dies ist jedoch eher eine schöne Umschreibung für ein Jugendgefängnis. Am Sonntag verbringen wir den Tag normalerweise in der Kirchgemeinde von John und Daniela, wo wir morgens den Kindergottesdienst gestalten und mittags bei der Jugendstunde mithelfen. Unsere freien Tage sind je nach Aufgabenlage flexibel….doch meistens haben wir montags und samstags frei.

 

Die Tankstelle ist momentan der eigentliche Ort der Treffen für die Abendoutreaches. Tankstelle, mit einer eigentlich coolen doppelten Bedeutung: Autos und LKWs bekommen hier ihren Kraftstoff, um die nächste Strecke zurück zulegen. Die Kinder bekommen den Kraftstoff für ihre Seele, indem sie bewusst wahrgenommen werden und lernen zu verstehen, dass es kein Zufall ist, dass sie hier auf der Welt sind, sondern, dass es für ihr Leben, egal wie ausweglos es scheint, Hoffnung gibt. Natürlich ist nicht nur die Seele zum Aufladen an der Tankstelle, sondern auch der kleinere oder größere Hunger wird dort gestillt. Dass der Tankstellenbesitzer die Outreaches toleriert und die Straßenkinder nicht gleich über alle Berge jagen möchte, sobald er sie sieht, ist nicht selbstverständlich. Die Kinder sind an vielen Stellen nicht gerne gesehen, so zum Beispiel in ganz normalen Supermärkten. Rein optisch bekommt man schnell mit, dass sie von der Straße kommen (ungewaschene Kleidung, kaputte oder gar keine Schuhe, die ein oder andere Wunde am Körper und viele von den Kindern müssen nicht einmal verraten, dass sie HIV positiv sind -man sieht es ihnen schon an). Jedoch sind die Rausschmisse aus den Supermärkten noch harmlos, im Vergleich zu den Konsequenzen, welche die Kinder erwarten, wenn sie von der Polizei aufgegriffen  bzw. gesehen werden. So kann ein ganz normales morgendliches Essenverteilen auch schnell darin enden, dass die Kinder einen Schlagstock im Gesicht haben oder fest angepackt werden –was wir diese Woche selbst mitansehen mussten. Gut, dass sie darin schon Übung haben….und das Tempo der Kleinen sollte man nicht unterschätzen. Trotzdem ist es ein massives Problem, dass die Polizei (so wie viele andere auch) die Kids einfach als Straßendiebe abschreiben. Das mag zwar teilweise zutreffen, aber, indem man sie jagt und einsperrt, verschlimmert man die Situation nur noch. Dabei darf man auch niemals vergessen, dass es immer noch Kinder sind!

 

Was wir an unserer Arbeit wirklich mögen, sind die Überraschungen, die immer wieder auf uns warten. So gab diese Woche einer der Jungs bei John eine Liste mit den Namen all derer ab, die wieder zu Schule gehen möchten –bestimmt auch motiviert durch 2 Straßenjungs, welche es mit der Hilfe von MTHUNZI vor Kurzem von der Straße zurück in die Schule schafften. Überrascht waren wir aber auch, als wir diese Woche Nsima und Masamba (eine traditionelle Gemüsebeilage, bestehend aus Kürbisblättern, Erdnussmehl und Tomaten) an die Kinder verteilten und richtig viel übrig blieb, was zeigte, dass die Kinder endlich einmal wirklich satt waren. Ein weiteres Erlebnis fand statt, als wir diese Woche Sandwiches an die Kinder ausgaben und uns mehrere Kinder anboten, ihr Brot mit uns zu teilen –dabei hatten sie selbst nur ein Sandwich und ohne Zweifel sehr großen Hunger. Diese Dankbarkeit, der wir hier häufig begegnen, ist wirklich überwältigend. So freute sich kürzlich auch eine Frau, welche wir trafen, schon über 2 trockene Scheiben Toastbrot –das müsste man in Europa mal einer bettelnden Person geben… Generell ist der Begriff „Armut“ hier, nicht mit unserer deutschen Definition zu vergleichen. In Deutschland sind Leute arm, welche auf Sozialhilfe angewiesen sind. Wer hier ein Dach über dem Kopf und etwas zu essen hat, auch wenn es 10 m² für 4 Personen und zu 99% Nsima sind, ist absolut mittelständisch. Hier arm zu sein bedeutet, nicht genug zu essen zu haben, Hunger zu leiden und ums Überleben kämpfen zu müssen –für viele Menschen leider die traurige Realität.

 

Etwas ganz besonderes war für uns auch unser erster Gefängnisoutreach, welchen wir diese Woche hatten. Die Vorbereitungen starteten schon morgens, als wir 25 Packungen Toastbrot kaufen wollten. Leider hatten wir an diesem Tag die Rechnung ohne die Supermärkte hier in der Umgebung gemacht, denn erst im vierten Supermarkt wurden wir dann schließlich fündig. Danach  begann das schier unendliche Schmieren und Belegen von Toastbrotscheiben…denn über 220 Jugendliche wollen auch ausreichend versorgt werden. Wir glauben, am Ende unseres Freiwilligendienstes sind wir die qualifiziertesten Sandwich- Beleger/Schmierer, die euch vorstellen könnt. Wir können es definitiv mit jeder Mensa aufnehmen, die sich uns in den Weg stelltJ. Schon die Fahrt zum Gefängnis war etwas speziell, weil wir sie hinten auf der Ladefläche des Jeeps verbrachten. Selbst gewähltes Elend, hätte man doch auch das Angebot des Jugendpfarrers annehmen können, denn dieser wollte eigentlich mit uns tauschen…Doch er musste auch noch halbwegs gut aussehen, er hatte ja schließlich die wichtigste Aufgabe mit der Predigt. Da wir als „Azungu“ (=Weiße) sowieso angestarrt werden, ist es auch egal, ob der ein oder andere Staub an uns haftet….wir würden mal sagen, gut in die Kultur integriert (welche keine tägliche Dusche vorgibt). Inzwischen haben wir aber wirklich Gefallen daran gefunden, auf der Ladefläche mitzufahren –viel Beinfreiheit und eine tolle Aussicht (auf uns verwirrt anschauende Einheimische). Auch wenn der Text etwas amüsant geschrieben ist, war das, was uns dann im Gefängnis erwartete, etwas schockierend…über 220 Jugendliche, die auf engstem Raum zusammen saßen, zwar in Reih und Glied, aber trotzdem mit sehr trostlosen Augen und wenig Freude. Das Alter lässt sich schwer schätzen, die meisten sind wahrscheinlich zwischen 15 und 21 Jahre alt. Das, was uns auf der Straße positiv aufgefallen ist, nämlich die Dankbarkeit, schon für ganz kleine Dinge, ist uns hier mit das erste Mal negativ aufgefallen. Mindestens 75% der Gefangenen haben nicht Danke gesagt, als wir ihnen die Sandwiches reichten und uns nicht einmal angeschaut -vermutlich aus Scham. Nicht, dass wir es zwingend erwartet hätten, nicht, dass wir mit dieser Erwartung dahin gegangen wären und trotzdem ist es uns im Vergleich zu den anderen Begebenheiten deutlich aufgefallen. Aufgefallen, wie wenig Hoffnung auf eine gute Zukunft und auf eine Perspektive in ihnen steckt, vielleicht ist aber genau das der Grund, weshalb wir etwas Abwechslung in diesen Alltag bringen sollen.

 

Unsere Woche endete mit einem außergewöhnlichen aber sehr schönen „La mulungu“ (=Chichewa für Sonntag, „mulungu“ ist das chichewische Wort für Gott). Wir folgten der Einladung unserer Vermieterin Martha zu einem Open-Air-Gottesdienst mit anschließendem Picknick in „El Paradiso“ –der kleine, von Palmen umgebene See macht diesem Namen alle Ehre! Es war ein wirklich schönes Erlebnis gemeinsam mit so vielen anderen Leuten zu singen, zu lachen und nicht zuletzt das reichhaltige Picknick, bestehend aus vielen, traditionellen Speisen, zu genießen.

 

Eine weitere, erlebnisreiche Woche neigt sich dem Ende zu. Es ist uns wichtig, noch kurz anzumerken, dass ein Großteil unserer Woche zwar aus Einsätzen bei den Straßenkids oder auch im Gefängnis besteht, wir davon aber leider keine Fotos haben, da es bei den Straßenkindern falsch ankommen könnte (dafür müssen wir diese einfach noch besser kennenlernen) und im Gefängnis sind Handys sogar verboten.

 

Wir wünschen euch eine schöne neue Woche und vielen Dank, dass ihr unsere Blogbeiträge immer so treu verfolgt!

 

M&M

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 1
  • #1

    angelika (Montag, 19 November 2018 16:27)

    ich lese sehr gerne eure berichte,daß möchte ich noch schnell hinzufügen, und freue mich immer über eure liebevolle art, mit der ihr sicherlich sehr viel liebe verschenkt. uns, daß wird mir immer wieder klar,geht es zu gut.traurig, wenn man das über unser land sagen muß. bleibt so am ball. wir hören wieder voneinander. angelika, omi